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Was macht ein quicklebendiger Junge, der technik- und naturbegeistert gleichermaßen ist, wenn er einem Vetschauer Neubaublock aufwächst? Er hält Ausschau nach Betätigungsmöglichkeiten, die es allerdings in der Johannes-R.-Becher-Straße nicht gerade reichlich gibt. Nur in Person und Hof des anliegenden Bauers Schulz fand Thomas Goebel, dass was er suchte. Jede Freizeitminute verbrachte er dort, gern half er mit und nichts war ihm zu viel. Besonders gern war er auch auf den Feldern und wieder besonders gern bei den Frauen. „Die konnten immer so viel erzählen und Witze machen, da habe ich so manches über das ‚Leben’ erfahren“, erinnert er sich heute schmunzelnd. Er konnte sich nichts anderes vorstellen, als Bauer zu werden - obwohl durch das Elternhaus kaum diesbezüglich vorbelastet, der Vater war Schweißer, die Mutter in der Futtermittelkontrolle tätig. Für den 1964 Geborenen lief alles erst mal nach Plan. Neben der Schule ging es nach wie vor aufs Feld, er machte als Fünfzehnjähriger die Trecker-Fahrerlaubnis und half später nach Kräften in der LPG Pflanzenproduktion Göritz mit. Der damalige Vorsitzende Gerhard Dabow freute sich über die Unterstützung und ließ ihn gern gewähren. Nach dem EOS-Besuch stand aber etwas an, was er nicht auf seiner Rechnung hatte: Er sollte Offizier der Nationalen Volksarmee werden und den „Sozialismus beschützen und dem Frieden dienen“, wie es damals hieß und wurde entsprechend be- und angeworben. Er kam diesen Wunsch schweren Herzens nach, zog aber beim abschließenden Musterungsgespräch in letzter Sekunde die Reißleine: „Ich will doch nicht Offizier werden, ich will als Landwirt die NVA mit Kartoffeln und Brot versorgen, das kann ich hier versprechen!“ Die Genossen mussten sich wohl oder übel fügen, da half auch kein Gerede davon, dass der Bauer ja schließlich nur in Frieden seiner Versorgungsaufgabe gerecht werden kann. Um den Grundwehrdienst kam er logischerweise nicht herum, aber dann folgte sogleich das Studium der Agrarwissenschaft an der Humboldt-Universität Berlin. In den Semesterferien jobbte er weiterhin in „seiner“ LPG, auch um sich das Studium finanzieren zu können, denn bei drei Kindern hatten die Eltern wahrlich kaum Spielraum für finanzielle Hilfen. „Ich war in den theoretischen Fächern vielleicht nicht der Beste, aber durch meine Praxiskenntnisse habe ich alles wieder wett gemacht“, schätzt er heute ein. Die Arbeit in der heimischen LPG war es dann auch, die ihm den Start ins Berufsleben erleichterte, denn anders als viele seiner Kommilitonen war schon lange vorm Diplom 1989 klar, dass er in Göritz eine Stelle bekommt. Hier übernahm er dann auch den Mähdrescherkomplex, aber schon im Folgejahr wurde er zum LPG-Vorsitzenden gewählt. „Das war für mich jungen Spund natürlich auch eine gewaltige Herausforderung aber ich habe mich gehütet, alles gleich neu zu machen. Für mich waren die Erfahrungen der Älteren enorm wichtig, ich musste sie nur nutzbringend in die neue Zeit einbetten, denn die Marktwirtschaft überkam uns ja ziemlich unvorbereitet.“ Inzwischen steht die Göritzer Agrar GmbH, wie sie nun heißt, beinahe nun schon zwanzig Jahre unter seinem Vorsitz. Zum Betrieb mit seinen fast 100 Mitarbeitern während der Saison gehören auch die „Bauernküche“ Göritz, die Gärtnerei Fleißdorf und eine Autoverwertung. „Ich bin besonders stolz darauf, dass wir kaum Kündigungen aussprechen mussten, alles konnte über Altersteilzeit und Umsetzungen abgefangen werden.“ Der Betrieb bewirtschaftet 1600 Hektar, davon drei Viertel im Biosphärenreservat, was sich neuerdings als Erschwernisfaktor auswirkt. „Wir bekommen keine Ausgleichszahlungen mehr, müssen aber nach wie vor die Reservatsauflagen erfüllen, wodurch wir Qualitätsverluste durch zum Beispiel hohe Wasserstände erleiden.“ Thomas Goebel hofft auf eine Lösung des Problems, macht sich aber auch keine falschen Hoffnungen. Peter Becker, August 2009
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